Beten ist im Jesidentum eine sehr persönliche Angelegenheit. Jesidinnen und Jesiden beten zu Gott und zu Heiligen, um ihnen so ganz nahe zu sein.
Das Beten hat als festes Ritual einen Platz im Tagesablauf. Hierzu gibt es vorgegebene Gebetstexte. Darüber hinaus wird auch mit eigenen Worten aus verschiedenen Anlässen gebetet, wie zum Beispiel bei Trauer und Freude, auch als Dank oder aus Anlass einer Reise.
Für das Beten braucht es keinen bestimmten Ort. Jesidinnen und Jesiden können ihre Gebete überall verrichten. Im Jesidentum gibt es keine Tradition des gemeinsamen Betens.
Jesidinnen und Jesiden beten in kurdischer Sprache und zu Beginn werden die Worte gesprochen „Mit der Erlaubnis Gottes“ (Bi destura Xwedê). Beendet wird das Beten mit dem Bekenntnis „Wir sind unvollkommen, Gott ist vollkommen“ (Em kêmin, Xwedê tamam e).
Was beim Beten zu beachten ist, wird in der Regel in den Familien von Generation zu Generation weitergegeben. Vor dem Beten waschen sich Jesidinnen und Jesiden die Hände und das Gesicht. Sie tragen beim Beten keine Schuhe und halten ihre Hände mit den Handflächen nach oben vor sich. Auch beten sie stets in Richtung Sonne, so wie es das Glaubensbekenntnis „Wir sind Jesiden“ (Em Êzîdîne) vorgibt: „Die Sonne ist unsere Gebetsrichtung“ (Roj qublata me ye). Die Sonne gilt im Jesidentum als das sichtbare Zeichen Gottes.
Oft beten Jesidinnen und Jesiden das Glaubensbekenntnis, hier wiedergegeben als Kurzversion für Kinder:
Wir sind Jesiden
Die Sonne ist unsere Gebetsrichtung
Die Zimzim-Quelle* ist das Ziel unserer Pilgerung
Die Weiße Quelle* ist der Ort meiner Taufe
Scheschims** ist unser Erlöser
Tausi-Melek ist unser Bekenntnis und unser Glaube.
* Die „Zimzim-Quelle“ und die „Weiße Quelle“ befinden sich im religiösen Zentrum Lalisch.
** Mit „Scheschims“ benennen Jesidinnen und Jesiden die personifizierte Sonne.