Im Mittelpunkt des alevitischen Glaubens steht der Mensch, der geschlechtsneutral „Can“ heißt. Das bedeutet übersetzt Seele. Die göttliche Kraft ist in jeder Seele, egal ob Frau oder Mann. Deswegen gibt es keine Trennung nach Geschlechtern bei religiösen Zeremonien. Frauen und Männer sind im Alevitentum gleichwertig und gleichberechtigt. Das soll auch für den Alltag gelten.
In den Überlieferungen des Gelehrten Pir Hünkar Hacı Bektaş-ı Veli steht Folgendes über Mann und Frau:
„Die Sprache der Weisheit unterscheidet nicht zwischen Mann und Frau. Alles was unser Hak schöpfte, ist wertzuschätzen. Für uns ist Frau und Mann gleichwertig. Falls du es anders siehst, dann liegt es an deinem Blick.“
Diese Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit gelten bei religiösen Zeremonien im Cem-Haus und sind innerhalb der zwölf Dienste sichtbar. Die zwölf Dienste sind Bestandteile einer Cem-Zeremonie und werden während der Zeremonie durchgeführt. Die Dienste haben eine lange Tradition. Sie wurden eingeführt, um ein friedvolles Zusammenleben und das Teilen in der Gemeinschaft zu garantieren. Diese Werte und Handlungsweisen sollen auch im Alltag umgesetzt werden.
Bei allen Diensten achten Alevitinnen und Aleviten darauf, dass Frauen und Männer möglichst alle Aufgaben gleichrangig besetzen. Die Gleichwertigkeit zeigt sich zudem auch symbolisch beim „Tezekâr“-Dienst: Das ist eine rituelle Waschung, bei der sich eine Frau und ein Mann vor der ganzen Gemeinde gegenüberstehen und sich gegenseitig die Hände waschen. Bei diesem Dienst beugt sich erst der Mann vor die Frau und gießt ihr Wasser auf die Hände. Anschließend begießt die Frau die Hände des Mannes. Auch beim rituellen Gebet „Semah“ drehen sich Frauen und Männer gemeinsam.
Die Gleichbehandlung von Frau und Mann, die Alevitinnen und Aleviten bei religiösen Versammlungen vorleben, gilt auch für ihren Alltag. Der Gelehrte Pir Hünkar Hacı Bektaş-ı Veli hat zum Beispiel auch gefordert, dass Frauen gleichermaßen zur Schule oder Universität gehen sollen.